20.12.2024 | Interviews
Heute sprechen wir mit Frank Twardy. Er engagiert sich seit 2017 ehrenamtlich bei den Maltesern. Im Gespräch erzählt uns der 58-Jährige, wie er zu den Maltesern gefunden hat, wie die Zusammenarbeit zwischen jüngeren und älteren Kameraden funktioniert, warum das Ehrenamt ihn an Rock‘n’Roll erinnert und wie es vielleicht vor Einsamkeit im Alter schützen kann.
Herr Twardy, vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit nehmen, mit uns zu sprechen. Wir beginnen einmal am Anfang, wie sind Sie zu den Maltesern gekommen?
Hallo! Ich bin jetzt seit 24 Jahren beim Malteser Hilfsdienst. Davon aber nicht die ganze Zeit in der aktiven Tätigkeit, sondern als passives Mitglied, sozusagen als Fördermitglied. Und wie ich zu den Maltesern gekommen bin? Daran waren hauptsächlich meine Eltern beteiligt. Mein Vater war zu Lebzeiten auch aktives Mitglied im Katastrophenschutz. Auch bei den Maltesern. Er nahm mich, sofern möglich, öfters mal zu seinen Einsatztätigkeiten mit.
Also Sie sind seit 24 Jahren bei den Maltesern, aber seit wann als aktives Mitglied tätig?
Seit 2017, nachdem beide Elternteile verstorben waren. Ich war dann im Besuchsdienst für die Malteser unterwegs, also um einsamen Menschen zur Seite zu stehen. Älteren Menschen, die vielleicht keine Angehörigen mehr haben. Mit denen bin ich rausgegangen und wir haben uns unterhalten. Ich habe sie dann aus dem Heim abgeholt. Eine Dame zum Beispiel konnte nicht mehr eigenständig raus, weil sie nicht mehr mobil war. Und sofern das Wetter einigermaßen warm war, haben wir den Rollstuhl gepackt und sind zum Tegeler See gelaufen, um ein bisschen spazieren zu gehen und haben uns dabei unterhalten.
Die Dame ist dann allerdings mit 93 Jahren verstorben. Sie war zu Corona-Zeiten im Heim und das war auch nicht so einfach. Die Heime wurden ja dann auch quasi abgeriegelt. Und dann habe ich für mich überlegt: möchtest du den Besuchsdienst weitermachen? Oder vielleicht auch noch einmal neue Themen kennenlernen? Weil mich medizinische Dinge interessieren, technische Dinge und die sozialen Bereiche. Malteser sein ist eben nicht nur Blaulicht, sondern hat verschiedene Komponenten. Und so bin ich beim Betreuungsdienst gelandet. Beim Betreuungsdienst geht es um die Betreuung von Verunfallten am Einsatzort. Und um die Versorgung der Hilfskräfte, die Feuerwehr, die Polizei und die anderen Hilfsdienste. Man ist eine Schnittstelle.
Was bedeutet das genau? Die Versorgung der Hilfskräfte?
Versorgung der Hilfskräfte bedeutet dann gegebenenfalls zum leiblichen Wohl auch eine Mahlzeit aushändigen zu können, Getränke bereitzustellen, Tee oder warme Suppe zu bringen, wenn es erforderlich ist. Wenn man sieht: Hier geht es nicht um eine Stunde Tätigkeit von Einsatzkräften, sondern um einen wesentlichen längeren Zeitraum.
Was ist für Sie das Beste an der ehrenamtlichen Arbeit?
Wie kann man das am besten beschreiben? Es ist eine Kombination von vielen Dingen. Also erst mal vielleicht den eigenen Interessen nachgehen zu können, aber auch helfen zu können, wenn man gebraucht wird. Man hat außerdem die Möglichkeit, flexibel zu sein. Ehrenamt bedeutet nicht: Du musst helfen. Du musst an allen Veranstaltungen oder an allen Einsätzen teilnehmen. Sondern man kann. Jeder hilft, wie er es kann. Man kann ohne Einsatz finanzieller Mittel einen Teil von sich mit einbringen ganz nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Interessen. Man kann dazulernen, von anderen oder aus den Einsätzen und Erlebnissen. Man kann aber auch an Weiterbildungen teilnehmen – auch einfach digital. Ich wollte auch einer Tätigkeit mit christlich-menschlichem Hintergrund nachkommen. Und die Malteser sind ja eine christliche Organisation. Was sonst noch zählt? Teamgeist. Menschlichkeit. Gemeinsamkeit. Neue Herausforderungen. Neue Themen kennenzulernen. Miteinander zu üben, zu trainieren.
Also tatsächlich auch das Kollegiale? Einerseits der Aspekt der neuen Herausforderung und Weiterbildungsmöglichkeiten, andererseits aber auch der der Aspekt des Gemeinsamen?
Absolut. Ich sag es mal so: Das Ehrenamt verbindet. Man hat gleiche Ziele trotz oftmals sehr unterschiedlicher Persönlichkeiten. Das macht es spannend. Niemals allein zu sein, das sagt schon der Leitsatz der Malteser aus: „Weil Nähe zählt“. Man hilft sich untereinander und nicht nur sich selber, sondern man ist auch für die Gesellschaft da.
Und in welchen Situationen merkt man bei den Maltesern den Zusammenhalt am meisten?
Zuallererst bei den realen Einsätzen. Da guckt man zuerst: wie kann man helfen? Was ist die Situation? Welche Ressourcen sind da? Welche Ressourcen sind schon gebunden? Wer ist überhaupt verfügbar? Da denke ich schon, dass das eine große Hilfe untereinander und Bereitschaft erfordert.
Außerdem finden regelmäßig Gruppenabende statt, wo ein Austausch und ein Miteinander stattfindet. Hier redet man natürlich viel über die ehrenamtliche Arbeit, aber auch über Privates. Es finden gemeinsame Veranstaltungen statt, also auch zu besonderen Anlässen. Ein Jubiläum zum Beispiel. Eine Weihnachtsfeier gibt es auch, mit einer entsprechenden christlichen Messe dazu, da kommen alle zusammen. Auch gibt es eine Jahresauftaktveranstaltung mit Anwesenheit des Bischofs von Berlin. Es gibt viele Möglichkeiten, wo man nicht alleine sein muss und Anschluss findet.
Und wenn es einer Person nicht gut geht im Team, ist man dann füreinander da?
Ja. Bei mir war es zum Beispiel mal eine Situation, wo aus meinem Bekanntenkreis Hilfe benötigt worden ist. Ich wusste auch zu dem Zeitpunkt nicht, wie ich helfen konnte und habe dann aber meine Malteser-Kontakte nutzen können und gefragt: Hey, wer könnte da helfen oder Anlaufstellen benennen. Und die haben mich dann unterstützt. Das ist toll, diese Vernetzung. Und man steht wirklich nicht alleine da.
Im Ehrenamt kommen ja viele unterschiedlichen Menschen zusammen, auch viele Menschen unterschiedlichen Alters. Bei den Maltesern gibt es ja jüngere und ältere Kollegen – wie erleben Sie den Umgang miteinander bei den Maltesern?
Im Rahmen meiner beruflichen Ausbildung habe ich es so kennengelernt, dass die Jüngeren und Älteren miteinander zusammen tätig sein können. Ich verbinde das so ein bisschen mit der Musikszene. Ich spreche jetzt mal nicht von „den Älteren“, sondern von den „Stars“. Die nehmen die Newcomer mit auf die Bühne ins Vorprogramm oder ins Mittelprogramm, um den Newcomern die Möglichkeit zu geben, weiterzukommen. So ist das bei den Maltesern auch ein bisschen. Auch das Umfeld ist etwas wie Musik, wie Rock ’n‘ Roll: von total entspannt, relaxed gemeinsam einen Dienstagabend verbringen bis hin zu Rock ’n‘ Roll in einem Einsatz, wo jeder gefordert ist. So kann man das ungefähr darstellen.
Wenn man einen Einsatz hat, dann ist man ja meistens nicht alleine unterwegs. Wie viele sind dann ungefähr immer im Einsatz?
Das ist ganz unterschiedlich. In der Regel fährt man mindestens zu zweit. Das hängt aber von den Diensten ab – was gefordert wird in den Diensten. Also wenn man jetzt Großveranstaltungen nimmt, da werden ja auch nicht nur die Malteser angefragt, sondern eigentlich alle Hilfsorganisationen, die verfügbar sind. Zum Beispiel zur Europameisterschaft werden dann alle Kräfte gebeten, sofern möglich, zu helfen. Da findet auch ein großes Miteinander statt, weil man sich gemeinsam organisieren muss. Das klappt aber auch immer gut.
Wie ist so ungefähr die Altersspanne unter den Kameraden und Kameradinnen mit denen Sie öfter zusammenarbeiten?
Das ist hochinteressant, weil es bei Maltesern ja schon die Möglichkeiten gibt, mit 16/17 Jahren als Schulsanitäter dabei zu sein. Für bestimmte Tätigkeiten muss natürlich die Volljährigkeit gegeben sein. Und von da ist alles möglich: von 18 bis ca. 65 – das ist ein breites Spektrum.
Sie sagten gerade, dass ihre Zusammenarbeit so wie Rock ’n‘ Roll ist. Die Stars nehmen die Newcomer mit auf die Bühne. Ist das so, dass die Jüngeren von den Älteren lernen? Oder ist es manchmal sogar umgekehrt?
Es ist auch umgekehrt. Deswegen wollte ich auch bewusst nicht von den Älteren sprechen, sondern eher von den Stars, weil ich ja vielleicht persönlich älter bin, aber auch von den Jüngeren lerne. Und Jüngere können wiederrum vielleicht andere Dinge von Älteren für sich mitnehmen oder Erfahrung sammeln. Also es ist auch keinesfalls eine Einseitigkeit.
Werden ältere Kollegen anders eingesetzt als jüngere oder übernehmen andere Tätigkeiten?
Man hat schon die Möglichkeit, auch Tätigkeiten zu wählen, die körperlich und mental etwas weniger fordernd sind als zum Beispiel die Notfallrettung. Beispielsweise im Betreuungsdienst, wo man sich dann eher zwischen der Situation und den Einsatzkräften befindet. Im Betreuungsdienst und im Besuchsdienst kann man zum Beispiel noch gut mit 65 helfen, oder auch in der Nachbarschaftshilfe oder der Flüchtlingshilfe.
Wann denken Sie, ist man zu alt fürs Ehrenamt?
Ich denke, da gibt es keine Altersgrenze. Das liegt allein an der persönlichen Einschätzung – wie jung man im Herzen geblieben ist. Und wie lange man es selbst körperlich und mental machen kann und möchte.
Gerade sind Sie noch berufstätig. Was machen Sie beruflich?
Ich bin Bankkaufmann.
Also eine ganz andere Richtung. Gerade bei Menschen, die in Rente gehen, entsteht ja auch eine Lücke. So dass dann vielleicht auch der Wunsch aufkommt, die neue freie Zeit irgendwie sinnvoll zu nutzen. Haben Sie sowas schon mal in Ihrem Umfeld erlebt?
Ich kann eigentlich nur für mich selbst sagen: Ja, das ist ein Thema, das einem durch den Kopf geht. Man denkt, wenn du eines Tages vielleicht nicht mehr 110 % in deinem Hauptberuf unterwegs sein musst, hat man ja in der Lebensphase mehr Zeit zur Verfügung. Und wie kann man die sinnvoll nutzen? Das ist durchaus ein Thema, das ich mir auch persönlich überlegt habe und wo ich denke: ja, das Ehrenamt ist eine sinnvolle Aufgabe – aus Interesse und Freude an der Sache heraus. Das wird vermutlich auch nicht 100 % meiner Zeit einnehmen, wenn man vielleicht auch noch ein anderes Hobby hat oder Ähnliches. Aber es ist durchaus denkbar für mich, dass es dann auch später weiterhin einen größeren Teil einnimmt. Das ist gut vorstellbar.
Wenn Menschen in Rente gehen oder sich später in einem Pflegeheim befinden, sind leider viele von Einsamkeit betroffen. Insbesondere, wenn durch den Wegfall des Berufs teilweise auch die sozialen Kontakte schwinden. Möglicherweise sind auch die Kinder aus dem Haus. Glauben Sie, dass ein Ehrenamt gegen Einsamkeit helfen kann?
Ja, bestimmt. Ich glaube, wenn man Freude selber schenken kann, kommt auch eine gewisse Freude zurück. Ich habe neulich in den Öffis durch Zufall mit einer älteren Dame gesprochen. Sie hatte mich angesprochen und erzählt, dass sie voll ausgebildete Stationsschwester sei. Und vor drei Jahren sei ihr Mann verstorben. Und ich habe sie dann gefragt, wenn sie die Ausbildung hat, hätte sie dann nicht Lust irgendwo was zu machen im Bereich Unterstützung? Dann sagte sie mir: das ist vielleicht gar kein schlechter Gedanke.
Wir haben vorhin schon mal kurz darüber gesprochen, dass das Ehrenamt sehr viele unterschiedliche Menschen zusammenbringt, Jüngere, Ältere, aber auch völlig unterschiedliche Persönlichkeiten. Denken Sie also, dass das möglicherweise auch Konflikte hervorruft? Oder dass es auch ein Vorteil sein kann, dass das man Menschen kennenlernt, die man sonst nicht kennengelernt hat?
Auf jeden Fall. Das ist doch total spannend, Menschen kennenzulernen, die vielleicht auch anders ticken. Was die Hobbys und Interessen angeht, gibt es da ganz unterschiedliche Richtungen, zum Beispiel IT oder Wassersport. Und auch Berufe: Von Elektro zu Projektarbeiten, IT-Projekte bis Bildungswesen, Kinder, Schule gibt’s da alles – total unterschiedlicher Natur. Man sieht, dass in der gesamten Gesellschaft nicht überall alles rund läuft. Dass es überall Ecken und Kanten, Probleme und Hürden zu meistern gibt. Und da sieht man: jede Branche hat ihre Besonderheiten, aber irgendwo auch Ähnlichkeiten.
Wenn ich jetzt bei den Maltesern mitmachen möchte, wie läuft das ab? Wo kann ich mich informieren, wo kann ich mich melden, mit wem kann ich sprechen?
Man kann zum Beispiel bei den Geschäftsstellen, auch der Hauptgeschäftsstelle anrufen und nachfragen. Beispielsweise beim Referat Ehrenamt. Es gibt auch Informationsbroschüren dazu, welche Bereiche es alles gibt, wo man sich vielleicht vorab mal informieren kann. Im Web kann man sich die Malteser-Seite angucken: Was wird eigentlich gemacht? Wir machen ja wie gesagt alles vom Schuldienst bis zur Hundestaffel. Es ist so viel möglich von Flüchtlingshilfe, Betreuungsdiensten, Besuchsdienst, Nachbarschaftshilfe, Integration bis hin zu Hospiz. Und man ist auch nicht festgelegt, dass man sagt: ich gehe in einen Bereich für immer und ewig und dann ist man da festgenagelt. Nein, man hat auch die Möglichkeit zu sagen: jetzt möchte ich auch mal was anderes machen. Und ein Ehrenamt lässt sich ja auch sehr flexibel handhaben. Das heißt ja nicht, man muss jetzt soundso viele Stunden im Monat in einem Jahr machen, sondern jeder so wie er kann und möchte. Was jeder bereit ist zu geben von seiner Zeit.