30.09.2025 | Bericht
Wenn der Strom ausfällt, Flüsse über die Ufer treten oder Waldbrände wüten, schlägt die Stunde der Tatkräftigen. In einer Notlage kann jeder Mensch helfen und einen Anteil für die Sicherheit aller leisten. Neben den ehrenamtlichen Einsatzorganisationen engagieren sich zunehmend auch Vereine, Unternehmen und Fachgruppen mit ihrer ganz eigenen Expertise im Bevölkerungsschutz. Vier beispielhafte Projekte zeigen, wie Zusammenarbeit über Organisationsgrenzen hinweg gelingen und das Ehrenamt gezielt gestärkt werden kann.
Red Farmer: mit schweren Geräten gegen Waldbrände
Wenn in ländlichen Regionen Wald- oder Flächenbrände ausbrechen, zählt jede Minute – und oft auch jede verfügbare Wasserquelle. Genau hier setzt das Projekt Red Farmer an. Was mit einer Idee im Landkreis Südliche Weinstraße in Rheinland-Pfalz begann, ist heute ein wachsendes Netzwerk aus Landwirten, Winzern und Feuerwehren, das in Krisensituationen schnell und koordiniert Hilfe leisten kann. Über die Online-Plattform stellen landwirtschaftliche Betriebe ihre Maschinen und Geräte für den Bevölkerungsschutz zur Verfügung – darunter Wasserfässer, Schlepper oder Güllewagen. Diese können im
Einsatzfall direkt von Feuerwehren und Leitstellen angefordert werden.
Die Initiative bringt zwei Gruppen zusammen, die schon lange eng verbunden sind: Landwirtschaft und Feuerwehr. Viele Red-Farmer-Mitglieder engagieren sich selbst im Ehrenamt oder kennen die Abläufe bei Brandeinsätzen gut. Ihr technisches Know-how, ihre Ortskenntnis und ihre Bereitschaft, mit anzupacken, machen sie zu wertvollen Partnern im Katastrophenschutz. Die Nutzung des Netzwerks ist freiwillig, unbürokratisch und für alle Seiten sicher – denn die Helfenden sind über die kommunale Unfallversicherung abgesichert. Die Idee: vorhandene Ressourcen bündeln, das Ehrenamt entlasten und gemeinsam den Schutz der Region stärken.
Inzwischen sind über 500 landwirtschaftliche Geräte im System registriert – Tendenz steigend. Nach dem erfolgreichen Start in Rheinland-Pfalz ist Red Farmer inzwischen auch in Bayern aktiv, unterstützt von den jeweiligen Landesfeuerwehr- und Bauernverbänden. Das Projekt zeigt, wie moderne Technik und gelebte Solidarität zusammenwirken können – und dass kluge Lösungen manchmal direkt vom Acker kommen.
Deutscher Amateur-Radio-Club: Notfunk für den Ernstfall
Um die Kommunikation aufrechtzuerhalten, wenn der Strom ausfällt, die Mobilfunknetze überlastet sind und Internetverbindungen zusammenbrechen, braucht es technisches Spezialwissen. Genau hier kommt der Deutsche Amateur-Radio-Club (DARC) ins Spiel: Mit seinem flächendeckenden Netzwerk aus Funkamateuren kann er im Katastrophenfall kurzfristig eine unabhängige Kommunikation überbrücken und so Behörden, Organisationen und betroffene Bevölkerung unterstützen – bis die regulären Kommunikationswege wieder funktionieren.
Der DARC hat ein bundesweites Notfunk-Konzept entwickelt, das auf autarken Strukturen basiert. Relaisfunkstellen mit Notstromversorgung, tragbare Funkgeräte und festgelegte Notfrequenzen ermöglichen eine robuste Verbindung auch in schwierigen Lagen. In regelmäßig durchgeführten Übungen erproben Ortsverbände den Ernstfall – etwa über Funkrunden auf Frequenzen wie 145,500 MHz (UKW) oder 7.110 kHz (Kurzwelle). Auch mobile Einsatzzentralen und Schulungen zur Funkdisziplin gehören zum Repertoire.
Die Funkamateure des DARC handeln ehrenamtlich, bringen aber ein hohes Maß an technischer Expertise mit – etwa in Bezug auf Antennenbau und störungsfreie Übertragung. Ihre Fähigkeiten werden zunehmend von Behörden anerkannt, die in Krisenfällen auf das ergänzende Kommunikationsnetz zurückgreifen. Der DARC treibt den Ausbau seiner Notfunkkapazitäten weiter voran und baut gezielt Brücken zu Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS). Das Projekt beweist: Ziviles Engagement und technisches Spezialwissen sind eine unschlagbare Kombination, wenn klassische Kommunikationswege versagen.
Reservistenkameradschaft Dormagen: ehrenamtlich im Hochwasserschutz aktiv
Die Reservistenkameradschaft Dormagen in Nordrhein-Westfalen zeigt, wie militärisches Know-how in zivilem Kontext Leben schützen kann.
Seit über 15 Jahren engagieren sich rund 80 Mitglieder der Kameradschaft im Hochwasser- und Deichschutz – eine Aufgabe von wachsender Bedeutung angesichts zunehmender Extremwetterereignisse an Flüssen wie dem Rhein.
Die Reservisten übernehmen vielfältige Aufgaben: Sie kontrollieren Deiche, befüllen Sandsäcke, errichten mobile Hochwasserschutzwände und sichern kritische Infrastrukturen. Bei Bedarf unterstützen sie die örtliche Einsatzleitung mit Professionalität, guter Ausbildung und eingespielter Zusammenarbeit. Regelmäßige Schulungen und gemeinsame Übungen mit Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk (THW) und weiteren Katastrophenschutz-Akteuren sorgen dafür, dass die Zusammenarbeit im Ernstfall reibungslos funktioniert.Was die Kameradschaft besonders macht, ist die Verbindung von militärischer Disziplin mit zivilgesellschaftlichem Engagement. Viele der Beteiligten bringen einsatzerprobte Erfahrung aus der Bundeswehr mit – kombiniert mit einem klaren Bekenntnis zur freiwilligen Hilfe vor Ort. Diese Mischung macht sie zu einem verlässlichen Partner in Krisenlagen. Für ihr Engagement wurde die Reservistenkameradschaft 2024 in der Kategorie „Unterstützung des Ehrenamtes“ mit dem dritten Platz des Förderpreises „Helfende Hand“ ausgezeichnet. Ihr Beispiel steht für die erfolgreiche Integration von Spezialwissen in den zivilen Bevölkerungsschutz, wobei sie motiviert, kompetent und lokal verwurzelt agieren.
WEMAG Netz GmbH und THW: Partnerschaft für Versorgungssicherheit
Extreme Wetterereignisse stellen angesichts der allgegenwärtigen Abhängigkeit von elektrischer Energie besonders hohe Anforderungen an die Resilienz der Stromversorgung. Die WEMAG Netz GmbH ist ein regionaler Verteilnetzbetreiber in Mecklenburg-Vorpommern sowie Teilen Brandenburgs und Niedersachsens. Gemeinsam mit den acht Ortsverbänden des THW-Regionalbereichs Schwerin begegnen sie diesen Herausforderungen seit über zehn Jahren mit einer engen Partnerschaft, die Ausbildung, Krisenmanagement und technische Zusammenarbeit umfasst.
Im Zentrum steht die Vorbereitung auf Stromausfälle: THW-Kräfte erhalten gezielte Schulungen zu den Strukturen und Prozessen der Energieversorgung, lernen den Umgang mit Netztechnik und trainieren gemeinsam mit WEMAG-Mitarbeitenden den Ernstfall. Umgekehrt profitiert die Netzgesellschaft vom Katastrophenschutz-Know-how des THW, etwa beim Einsatz von Netzersatzanlagen, bei der logistischen Bewältigung von Großschadenslagen oder bei Evakuierungsmaßnahmen.
Die Kooperation stärkt nicht nur die operative Handlungsfähigkeit im Krisenfall, sondern auch das Verständnis füreinander im Alltag. So werden Planungsprozesse abgestimmt, neue Technologien gemeinsam bewertet und gesetzliche Neuerungen frühzeitig integriert. Besonders in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern, wo dünn besiedelte Gebiete spezielle Anforderungen an den Netzausbau stellen, ist diese Zusammenarbeit ein wertvoller Beitrag zur Versorgungssicherheit.
2024 wurde das Projekt in der Kategorie „Unterstützung des Ehrenamtes“ mit dem vierten Platz beim Förderpreis „Helfende Hand“ ausgezeichnet. Es zeigt beispielhaft, wie Unternehmen und Einsatzorganisationen durch kontinuierliche Partnerschaft eine robuste Infrastruktur sichern – und damit das Ehrenamt im Katastrophenschutz stärken.
Die vier Projekte beweisen, wie viel Potenzial im Zusammenspiel von Hilfsorganisationen mit anderen Gruppen steckt. Ob Landwirtschaft, Technik, Militär oder Wirtschaft – wer seine Stärken einbringt, leistet einen wertvollen Beitrag zur Resilienz unserer Gesellschaft.
Gerade in Zeiten zunehmender Naturgefahren und hybrider Bedrohungen sind solche Partnerschaften unverzichtbar. Sie machen den Bevölkerungsschutz nicht nur schlagkräftiger, sondern auch vielfältiger – und damit zukunftsfähig.