Zum Hauptinhalt springen

„Den helfenden Gedanken einpflanzen“ – im Gespräch mit Irene Hillger über die ehrenamtliche Arbeit mit Kindern Magazin

Heute sprechen wir mit Irene Hillger. Sie ist seit 2001 beim Jugendrotkreuz, war zwölf Jahre lang Jugendkreisleiterin und hat bereits mit Hunderten von Kindern zusammengearbeitet. Mit dem DRK Heidelberg hat sie außerdem die „Schulanfängerwochen“ ins Leben gerufen, bei dem Vorschulkinder drei Wochen lang in verschiedene Blaulichtberufe hineinschnuppern können. Das Projekt wurde 2023 mit dem Förderpreis der „Helfenden Hand“ des Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) in der Kategorie „Nachwuchsarbeit“ ausgezeichnet. Im Gespräch verrät sie uns, wie es ist, ehrenamtlich mit Kindern zu arbeiten.

Ob als Gruppenleiterin oder in der Organisation von Spiel- Spaß- und Sportveranstaltungen – die gelernte Kinderkrankenschwester Irene Hillger liebt es, Kinder und Jugendliche an die erste Hilfe heranzuführen.

Jedes Kind hat schon mal einen Notfall erlebt
„Schon im Kindergartenalter kann man anfangen zu helfen“, erklärt Hillger. Um den Kindern zu zeigen, wie das geht, geht sie mit dem DRK auch in Kindergärten und Schulen und spricht dort mit den Kindern. In kleinen Workshops zeigen sie den Kindern, was sie tun können, wenn es einem anderen Kind nicht gut geht – dass sie zum Beispiel nicht vorbeigehen und wegsehen, sondern hingehen und fragen, was passiert ist. „Wenn man nachfragt, hat jedes Kind schon einmal einen Notfall erlebt und konnte ein bisschen helfen“, sagt Hillger. Helfen könne für ein Kindergartenkind dann zum Beispiel schon damit anfangen, den Erzieher oder die Erzieherin zu holen oder das betroffene Kind zu trösten und in den Arm zu nehmen.

Ersthelferinnen und Ersthelfer von Morgen
Bereits ab 6 Jahren haben die Kinder in Raum Heidelberg die Möglichkeit, sich einmal in der Woche in einer Gruppe zu treffen und mehr über das Thema Erste Hilfe zu erfahren. Dort lernen sie zum Beispiel verschiedene Krankheitsbilder kennen – sei es der Hitzeschlag im Sommer oder die Unterkühlung im Winter. Sie sprechen durch, was alles so passieren kann und wie sie sich im betreffenden Fall verhalten können. So wird zum Beispiel auch einmal ein Sportunfall zusammen in der Gruppe durchgespielt. Schon im Grundschulalter können die Kinder so zu „Schulsanitäterinnen und Schulsanitätern“ werden, wenn sie möchten.

Mit Sanitätsköfferchen und Warnweste auf den Pausenhof
Diese Kinder sind im Schulalltag große Hilfen, weil sie in der Pause mit ihrem Sanitätsköfferchen und vielleicht auch einer Warnweste Ausschau halten und helfen, wenn sich ein Kind verletzt hat, erklärt Hillger. Je älter die Kinder werden, desto mehr können sie in der Schule natürlich auch helfen. An den weiterführenden Schulen sind die „Schulsanitäterinnen und Schulsanitäter“ dann teilweise nicht nur in der Pause Ansprechpersonen, sondern kümmern sich auch darüber hinaus um ihre Mitschülerinnen und Mitschüler, wenn etwas passiert. Sie unterstützen die Erste-Hilfe-Kraft in der Schule und kennen sich mit vielen Themen aus: Von Bauchweh über Schwindel oder Übelkeit bis hin zu Sportverletzungen. Einige der Kinder, die einmal bei Irene Hillger in der Erste-Hilfe-AG waren, grüßen sie noch Jahre später. Das freut sie immer: „Die scheinen immer noch eine gute Erinnerung an das Projekt zu haben“, sagt sie und lächelt.

Drei Wochen lang Crashkurs in Blaulicht-Berufen
Ihre ehrenamtliche Arbeit mit Kindern umfasst neben der Gruppenarbeit aber noch viele andere Tätigkeiten – zum Beispiel die Organisation eines jährlichen Zeltlagers mit über 100 Personen. Ein ganz besonderes Projekt sind seit 2016 auch die „Schulanfängerwochen“: Drei Wochen lang können zukünftige Erstklässlerinnen und Erstklässler vor ihrem Schulstart in verschiedene Blaulicht-Berufe hineinschnuppern und lernen, wie auch sie anderen helfen können. Das macht nicht nur den Kindern Spaß, sondern entlastet auch die Eltern, denn diese müssen zwischen Kita-Ende und Schulstart oft überlegen, wie sie die fünf Wochen überbrücken können. Im Rahmen der Schulanfängerwochen werden die Kinder vom DRK ganztagsbetreut, unternehmen Ausflüge zu den verschiedenen Hilfsorganisationen und lernen verschiedene Berufe und Tätigkeiten spielerisch kennen.

Mehr als nur Pflasterkleben
Meist startet das Programm mit einer Kennenlernrunde in den Räumlichkeiten des DRK, berichtet Irene Hillger. Weil das beim DRK dazu gehört, bekommen die Kinder dann am Anfang erstmal einen kleinen Erste-Hilfe-Kurs. Dort lernen sie, was Erste Hilfe ist, wie sie Pflaster kleben und Verbände binden können und wie sie zum Beispiel überhaupt mit Wunden umgehen sollten. Dann fahren die Kinder auf die Rettungswache und schauen sie sich den Rettungswagen und auch die anderen Fahrzeuge des DRK genau an, denn das DRK ist „mehr als nur Pflasterkleben,“ betont Hillger. Oft gehört auch ein Besuch der Rettungshundestaffel dazu, bei dem die Kinder lernen, wie die Hunde ausgebildet werden und wie sie zum Beispiel Menschen suchen. In einer Übung dürfen sich die Kinder im Park verstecken und von den Hunden gesucht werden – das ist immer ein großer Spaß.

Feuer löschen, Gewahrsamszelle besichtigen und Boot fahren
Auch in andere Blaulichtberufe dürfen die Kinder reinschnuppern. Ein Ausflug zur Feuerwehr gehörte bisher immer dazu, berichtet Hillger. Im Gerätehaus können die Kinder sehen, was so ein Feuerwehrmann alles anzieht und was in einem Feuerwehrauto so drin ist. Auch die Kübelspritze dürfen die „kleinen Feuerlöscher“ selbst in die Hand nehmen – „das ist immer eine super Aktion“, sagt Hillger. Beim Thema Blaulicht denken viele Kinder sofort an die Polizei, daher steht auch hier ein Besuch bei jeder Schulanfängerwoche auf dem Programm. In der Polizeistation in Heidelberg demonstriert ein Polizist für die Kinder, wie viele verschiedene Kleidungsstücke ein Polizist für unterschiedliche Anlässe im Schrank hat. Wenn die Zelle frei ist, dürfen sich die Kinder auch einmal die Gewahrsamszelle anschauen – das Polizeiauto natürlich auch. Wenn es zeitlich passt, steht außerdem ein Besuch beim THW oder der DLRG auf dem Programm. Beim THW können die Kinder dann zum Beispiel mit dem Greifer experimentieren oder bei der DLRG mit dem Boot fahren, die Taucherausrüstung untersuchen und lernen, wie man einen Rettungsring wirft.

Pausen müssen auch mal sein
Da man es mit Kindern zu tun hat, die gerade vom Kindergarten in die Schule wechseln, braucht es zwischendrin auch Pausen. „Wenn man drei Wochen lang jeden Tag einen Ausflug macht, dann merkt man auch, dann sind sie durch“, sagt Irene Hillger. Deshalb wird manchmal auch einfach in der Basisstation gebastelt oder die Betreuerinnen und Betreuer gehen mit den Kindern auf den Spielplatz, in den Wald oder auf einen Wasserspielplatz, wenn es heiß ist.

Wenn kleine Gedanken groß werden
Was bleibt von der ehrenamtlichen Arbeit mit Kindern? Werden aus den Kindern von heute später die Helferinnen und Helfer von Morgen? Irene Hillger fallen sofort Fälle ein, in denen Jugendliche vom Schulsanitätsdienst direkt in den Rettungssanitätsdienst gewechselt sind. Und manchmal würden aus ehemaligen Gruppenkindern später auch Ärztinnen und Ärzte: „Das gibt es immer wieder, dass wir den Gedanken klein einpflanzen und dann wird der groß und es werden Berufswünsche daraus“, sagt Hillger. Häufig kriege man natürlich nicht mit, was später einmal aus den Kindern werde, räumt sie ein, denn auch die, die später einmal ein Ehrenamt übernähmen, landeten ja nicht alle beim DRK, sondern manche auch beim THW, den Maltesern oder anderen Organisationen. „Man muss sich aber bewusst machen, dass wir in Kindern und Jugendlichen mit den kleinen Aktivitäten, die wir machen, trotzdem irgendwas bewirken,“ betont sie. Manchmal zöge man so den Nachwuchs fürs Ehrenamt heran, manchmal sei es aber auch „nur der helfende Gedanke, den wir da streuen und unterstützen“.