Erste Hilfe plus Selbstschutz: So wird die Bevölkerung resilienter Magazin

Wiederbelebung, stabile Seitenlage, Wundversorgung: Die meisten Menschen haben schon einmal einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Für den Führerschein sowie für betriebliche Ersthelfer ist er verpflichtend. Inzwischen haben in Deutschland aber auch  über 400.000 Menschen einen EHSH-Kurs der BABZ, der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung des BBK, absolviert. Im Fokus steht die Frage: Wie können verschiedene Bevölkerungsgruppen eine optimale private Vorsorge treffen – auch für den Fall, dass eine Situation über die alltägliche Gefahrensituation hinausgeht?

EHSH steht für „Ausbildung der Bevölkerung in Erster Hilfe mit Selbstschutzinhalten“ – doch das hier vermittelte Wissen geht weit über einen einfachen Erste-Hilfe-Kurs hinaus. Zwar ist es gut, wenn möglichst viele Menschen wissen, was zu tun ist, wenn es zu akuten medizinischen Notfällen oder Unfällen kommt. Doch Teilnehmende der EHSH-Kurse lernen auch, wie sie Selbstschutz effizient in die Praxis umzusetzen – und wie wichtig dabei die eigene, individuelle Vorsorge ist.

Warum ist Selbstschutz wichtig?
Selbstschutz bedeutet: Lernen, sich selbst und anderen in außergewöhnlichen Notlagen zu helfen – und zwar so lange, bis professionelle Hilfe eintrifft. Das kann beispielsweise bei einem Hochwasser, Starkregen oder in einem Zivilschutzfall wichtig werden. Doch wäre es nicht schlauer, nach dem Leisten der Ersten Hilfe auf das Eintreffen der Profis zu warten? Frank Meurer, kommissarischer Leiter der BABZ, macht deutlich: „Bei Großschadensereignissen oder Katastrophen sowie im Zivilschutzfall kann es sehr viel länger dauern als in alltäglichen Erste-Hilfe-Situationen, bis staatlich organisierte Hilfe eintrifft. In diesem Zeitraum sind betroffene Menschen auf sich allein gestellt. Deshalb ist es wichtig zu lernen, wie man sich selbst schützen und sich gegenseitig helfen kann! Dazu gehört insbesondere die eigene private Vorsorge.“

Für jede Zielgruppe das passende Programm
Die fünf großen deutschen Hilfsorganisationen – ASB, DLRG, DRK, JUH und MHD – bieten die EHSH-Kurse für unterschiedliche Zielgruppen an. Dazu zählen Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Seniorinnen und Senioren, Pflegende, Menschen mit Migrationshintergrund, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Führungskräfte mit Multiplikatorenfunktion. Frank Meurer berichtet: „Wir wollen alle Zielgruppen passgenau ansprechen und ausbilden. Mit den insgesamt sieben verschiedenen Modulen möchten wir zuallererst besonders vulnerable Gruppen der ‚breiten Bevölkerung‘ bestmöglich erreichen. Jedes Modul setzt einen anderen Schwerpunkt. Manche Module eignen sich für mehrere Zielgruppen, andere sind speziell auf eine bestimmte Zielgruppe zugeschnitten und manche Module lassen sich auch miteinander kombinieren.“

Lernen, worauf es in Notlagen ankommt
Ein Modul heißt zum Beispiel „Vorbeugung und Reaktion in Notlagen“. In diesem lernen die Teilnehmenden die Maßnahmen kennen, auf die es bei der persönlichen Notfallvorsorge ankommt. Dazu gehört unter anderem, einen Vorrat an Essen, Trinken und relevanten Medikamenten anzulegen, einen Notfall-Rucksack zu packen oder sich auf einen längeren Stromausfall vorzubereiten. Auch andere mögliche Probleme rund um das eigene Heim werden besprochen, beispielsweise ein Heizungsausfall oder geeignete bauliche Sicherungsmaßnahmen. Eine weitere Fragestellung des Kurses: Wie kommuniziere ich, wenn der Strom weg ist? Und wie komme ich an Informationen? Dieser Kurs richtet sich an Jugendliche/junge Erwachsene, (junge) Familien sowie Seniorinnen und Senioren.

Dieselben Zielgruppen können auch die Module „Medizinische Erstversorgung“ sowie „Betreuung von Hilfebedürftigen mit Pflegebedarf“ belegen. In ersterem lernen sie über die „normale“ Erste Hilfe hinausgehende Maßnahmen, zum Beispiel die Ruhigstellung von Knochen- und Gelenkverletzungen oder behelfsmäßiges Tragen. Letzteres vermittelt Kenntnisse in der pflegerischen Unterstützung im persönlichen Umfeld, zum Beispiel in der Nachbarschaft oder bei Angehörigen.

 

Selbstschutz in allen Lebenslagen
Etwas „spezieller“ geht es in den Modulen „Selbsthilfe für Pflegende“, „Menschen mit Migrationshintergrund“ sowie „Förderung Selbstschutz in Unternehmen, Behörden, Institutionen“ zu. Wie der Name der Module bereits verrät, richten sie sich explizit an Pflegende, Menschen mit Migrationsgeschichte bzw. an Entscheidungstragende und Meinungsbildende aus Unternehmen, Behörden oder Institutionen. Wozu braucht es nochmals diese Unterteilung? Frank Meurer erklärt: „Wir wollen genau die Inhalte vermitteln, die die Menschen brauchen. Wer zum Beispiel einen Menschen pflegt, muss in Krisensituationen ganz anders handeln – und auch anders vorsorgen. In dem Modul für Menschen mit Migrationsgeschichte gehen wir auch auf kulturelle Besonderheiten in Deutschland ein – zum Beispiel die Selbstverständlichkeit der Ersten Hilfe oder den Umgang mit Nähe und Distanz.“

Die Führungspersönlichkeiten aus Unternehmen, Organisationen oder Behörden erlangen in ihrem Modul ein Bewusstsein für ihre Rolle als Multiplikatorinnen oder Multiplikatoren und Entscheidende. Es wird vermittelt, dass sie in ihrer Rolle einen ganz besonderen Beitrag im Rahmen des Bevölkerungsschutzes leisten können. Denn sie tragen nicht nur die Verantwortung für ihre Institution und Mitarbeitenden, die es für Selbstschutz zu motivieren gilt – sondern auch für die Gesellschaft im Allgemeinen.  Sie können im EHSH-Modul lernen, Gefährdungspotenziale für die im Umfeld lebende Bevölkerung zu minimieren und in außergewöhnlichen Notlagen einen Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung zu leisten. Darüber hinaus sorgt beispielsweise ein resilienter Betrieb dafür, die Wirtschaftsleistung auch in Krisen aufrecht zu erhalten – und ist somit auch im sicherheitspolitischen Kontext von großer Bedeutung.

Sicherheit für Kinder   
Für Kinder gibt es ein Extra-Modul namens „Sicherheit und Erste Hilfe für Kinder“. Kinder zwischen 3 und 10 Jahren lernen hier auf spielerische Art in zwei Mal 45 Minuten, wie sie mit gefährlichen Situationen umgehen und was sie in Notlagen tun können. So lernen sie das richtige Verhalten bei Unwetter, Starkregen, Hochwasser, einem Brand oder einem längeren Ausfall an Strom oder Kommunikationsmitteln. Thomas Mitschke betont: „Es geht nicht darum, Ängste zu schüren – ganz im Gegenteil. Indem wir Kindern praktische Tipps vermitteln, wie sie sich in Notlagen verhalten können, stärken wir ihr Selbstbewusstsein. Im Fall der Fälle wissen sie dann sich und anderen zu helfen.“

Mehr wissen, besser helfen: Jetzt für EHSH-Kurs anmelden!
So unterschiedlich die Module sind, eins haben sie alle gemeinsam: Sie zeigen, wie wichtig es für Menschen jeden Alters ist, sich mit dem Thema Selbstschutz zu befassen. Je mehr Menschen sich in Deutschland mit Selbstschutzinhalten befassen, desto einfacher gelingt es der Bevölkerung, in einer möglichen Krise souverän zu reagieren. Nicht zuletzt Ereignisse wie die Flutkatastrophe im Ahrtal zeigen, wie wichtig es ist, für alle Fälle vorbereitet zu sein. Wer mag, kann sich im Rahmen seines Ehrenamts sogar als EHSH-Lehrkraft bei einer Hilfsorganisation ausbilden lassen.

Weitere Informationen sowie die Kontakte der Hilfsorganisationen finden Sie unter: www.bbk.bund.de/ehsh

Bildnachweise: BBK