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Hilfe über Grenzen hinweg: Europas Einsatzkräfte im Kampf gegen die Flammen Magazin

Heiße Sommer, trockene Wälder und immer komplexere Vegetationsbrände: Waldbrände sind längst zu einer europäischen Herausforderung geworden. Wenn in Südeuropa Flammen wüten, kommen nicht nur örtliche Kräfte zum Einsatz, sondern auch spezialisierte Teams aus anderen EU-Staaten. Das NRW-Waldbrandmodul GFFF-V DE1, die Fachberaterinnen und -berater der Hilfsorganisation @fire sowie die Johanniter-Unfall-Hilfe Bonn beweisen, dass internationale Zusammenarbeit im Katastrophenschutz gelingt – getragen vom Ehrenamt und gestützt durch den EU-Zivilschutzmechanismus (UCPM).

 

Feuerwehr-Einsatzkraft vor einer großen Feuerwand

Einsatzkräfte kämpfen in Spanien gegen meterhohe Flammen. (Quelle: Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn)

Europäischer Katastrophen- und Zivilschutz in der Praxis
Der EU-Zivilschutzmechanismus bildet den Rahmen, der Einsätze über Grenzen hinweg möglich macht. Er definiert Standards, koordiniert Alarmierungen und sorgt dafür, dass spezialisierte Teams in Europa nahtlos zusammenarbeiten können. Dieser Ansatz ist für viele Ehrenamtliche nicht nur eine organisatorische Struktur, sondern eine Überzeugung, die sie täglich leben. Kai Lars Hildebrandt, Leiter einer Försterei in Niedersachsen sowie ehrenamtliche Einsatzkraft bei @fire, beschreibt es so: „Der europäische Katastrophen- und Zivilschutz-Ansatz bedeutet für unsere Arbeit bei @fire vor allem eines: Zusammenarbeit über Grenzen hinweg.“ Dass große Katastrophen nicht mehr isoliert bewältigt werden müssen, sei für ihn fachlich wie menschlich ausschlaggebend: „Es ist ein starkes Signal, dass wir als europäische Gemeinschaft gemeinsam Lösungen finden.“

Auch das NRW-Waldbrandmodul GFFF-V DE1 (Ground Forest Fire Fighting using Vehicles, Deutschland 1; Bodengebundene Vegetationsbrandbekämpfung unter Einbeziehung von Löschfahrzeugen, Deutsches Modul 1) ist ein Baustein dieses Systems. Es wurde nach europäischen Standards aufgebaut und verbindet die Expertise von Feuerwehrkräften aus Bonn, Königswinter, Leverkusen, Ratingen und Düsseldorf mit internationaler Ausbildung und klaren taktischen Vorgaben. Frank Frenser, der bei der Berufsfeuerwehr Bonn im Sachgebiet Führung, operative Planung und Übungen im Katastrophenschutz tätig ist, macht deutlich: „Die EU stellt über den Europäischen Katastrophenschutzmechanismus UCPM Einheiten zur Unterstützung bei unterschiedlichsten Katastrophen-Szenarien zur Verfügung.“ Das Modul sei dabei nicht nur Helfer, sondern auch Lernender – ein Knotenpunkt für den Austausch mit erfahrenen Mittelmeerstaaten, die seit Jahrzehnten mit intensiven Waldbrandsaisons umgehen.

 

Feuerwehrleute in Einsatzkleidung mit Gerätschaften bearbeiten den trockenen Boden

Kräfte aus dem Haupt- und Ehrenamt wenden gemeinsam ihr Spezialwissen an, um die Ausbreitung der Brände einzudämmen. (Quelle: Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn)

Vorbereitung, Spezialwissen und eingespielte Zusammenarbeit
Damit Einsatzkräfte in Südeuropa effizient arbeiten können, müssen Abläufe, Ausstattung und Qualifikation stimmen. „Die Einheit besteht aus rund 20 Einsatzfahrzeugen und rund 70 Einsatzkräften, die von den Feuerwehren aus Bonn, Königswinter, Leverkusen, Ratingen und Düsseldorf gestellt werden und aus dem Haupt- und Ehrenamt stammen“, beschreibt Frank Frenser den Aufbau des Moduls.

Die Vorbereitung erfolgt über eine gemeinsame Grundausbildung an der Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und Zivile Verteidigung (BABZ), regelmäßige winterliche Trainingsphasen und verpflichtende EU-Lehrgänge für die Führungskräfte. Nur so wird das Modul in die Lage versetzt, sich nahtlos in die Strukturen der anfordernden Länder einzufügen.

 

 

Man sieht zwei Feuerwehrmänner in Einsatzkleidung. Sie halten gemeinsam eine Lagekarte und Blicken in das Gelände.

Bei der Einsatzbesprechung mit spanischen Kräften zum weiteren Vorgehen fließen verschiedene Informationen ein. (Quelle: Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn)

Doch ein europäisches Einsatzmodul ist mehr als eine Fahrzeugkolonne. Um in fremder Vegetation, komplexem Gelände und dynamischen Brandszenarien sicher zu agieren, braucht es Fachwissen zu Vegetation, Sicherheit, Topografie und Taktik – Bereiche, in denen die Hilfsorganisation @fire das Team ergänzt. Kai Lars Hildebrandt schildert, welche Rolle diese Expertise spielt: Er habe im spanischen Einsatz als Field Safety nicht nur die Sicherheit im Camp und Einsatzgebiet unterstützt, sondern auch „Wetterdaten, taktische Empfehlungen und Einschätzungen zur Brandausbreitung eingebracht“. Als studierter Förster konnte er zudem Vegetations- und Bodeninformationen einfließen lassen. Seine Kenntnisse im Umgang mit Geoinformationssystemen (GIS) ermöglichten es ihm, die digitale Lageführung zu übernehmen: „Über CalTopo habe ich die Lagekarte aktuell gehalten, um jederzeit eine präzise Übersicht für die Einsatzleitung zu gewährleisten.“

Ebenso unverzichtbar ist die Versorgungskomponente der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. (JUH). Ihr Beitrag ist entscheidend dafür, dass ein europäischer Waldbrandauftrag über Tage und Wochen durchgehalten werden kann. Verena Dienst, Regionalvorständin und ehrenamtliche Einsatzkraft im Katastrophenschutz der Johanniter in Bonn/Rhein-Sieg/Euskirchen, bringt es auf den Punkt: „Der Ortsverband Bonn der JUH besetzt innerhalb des GFFFV-DE1-Moduls die Versorgungskomponente.“ Die Aufgabe sei „logistischer und humanitärer Art, die den Betrieb und die Einsatzfähigkeit der Brandbekämpfungskräfte direkt sichert.“ Die Johanniter bringen nicht nur Feldküchen, Wasserversorgung und Lagerhaltung mit, sondern auch spezialisierte Ausbildung: Hygiene- und Sicherheitsstandards, mobile Küchenlogistik, Verpflegung unter Feldbedingungen und die Fähigkeit, autark zu arbeiten – oft bei Hitze, Zeitdruck und wechselnden Einsatzrhythmen. Jede Komponente, vom Lunchpaket bis zur Kühlkette, wird nach bewährten Standards vorbereitet und vor der Saison intensiv trainiert.

Dass dieses Zusammenspiel reibungslos läuft, ist das Ergebnis jahrelanger gemeinsamer Ausbildung. Frank Frenser betont: „Die Zusammenarbeit der beteiligten Feuerwehren mit den weiteren Organisationen hat sich in den letzten Jahren eingespielt.“ Regelmäßige Übungen, gemeinsame Materialchecks und abgestimmte Führungswege schaffen die Grundlage dafür, dass am Einsatzort jeder Handgriff sitzt.

Frank Frenser im Einsatz

Frank Frenser betont die eingespielte Zusammenarbeit und hohe Motivation der Organisationen. (Quelle: Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn)

Spanien 2025 – ein Einsatz zwischen Hitze, Höhenmetern und menschlicher Nähe
Der Waldbrand-Einsatz in Spanien im Sommer 2025 führte vor Augen, was europäische Zusammenarbeit im Ernstfall bedeutet. Mehrere Tage lang kämpften deutsche und spanische Kräfte gemeinsam gegen schnell voranschreitende Feuer, wechselnde Winde und unwegsames Gelände. Frank Frenser hebt hervor, dass vor allem „der Einfluss von Topografie, Wind, Wetter und der Art der Vegetation auf das Feuerverhalten“ den Einsatz prägte. Gleichzeitig brachten die spanischen Kräfte wertvolles lokales Wissen ein, das die deutschen Teams unmittelbar für ihre Arbeit nutzen konnten.

 

Parallel unterstützte @fire mit digitaler Lageführung und sicherheitsrelevanten Einschätzungen. Kai Lars Hildebrandt beschreibt, wie entscheidend das für die Einsatzleitung war, und fasst zusammen: „Besonders beeindruckend war die große Dankbarkeit, die uns entgegengebracht wurde.“ Und selbst auf überregionaler Ebene zeigte sich, wie eng die Netzwerke inzwischen sind. „Juan Camaño von der Pau Costa Foundation hat uns noch während der Anfahrt mit ersten Lageinformationen versorgt, als er hörte, dass wir unterwegs sind“, so Kai Lars Hildebrandt. Solche Momente verdeutlichen, wie sehr Fachwissen, persönliche Kontakte und gegenseitige Unterstützung die Arbeit im europäischen Katastrophenschutz prägen.

Anwohner versorgen die Einsatzkräfte mit Lebensmitteln.

Ein Zeichen der Dankbarkeit: Frisches Gemüse aus Elenas Garten. (Quelle: Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn)

Auch die Johanniter erlebten sowohl enorme Anforderungen als auch berührende Momente. Der mehrtägige, autarke Betrieb ihrer Feldküche unter erschwerten Bedingungen erforderte nicht nur logistisches Geschick, sondern auch vorausschauende Planung für Kühlung, Vorräte und Hygiene. Umso mehr wirkten kleine Gesten – wie der Moment, den Verena Dienst beschreibt: „Einer der schönsten Momente im Einsatz war, als Elena, die Leiterin des Landschulheims in Sanabria, mit einem Korb frisch geernteten Gemüses aus ihrem Garten auftauchte.“ Für sie war es „ein Zeichen der Dankbarkeit und Verbundenheit“.

Ehrenamt als Fundament – Engagement, das weit trägt
So professionell ein europäisches Einsatzmodul aufgebaut ist, sein Fundament bildet das Ehrenamt. @fire ist vollständig ehrenamtlich organisiert und lebt, wie Kai Lars Hildebrandt sagt, „vom Engagement seiner Mitglieder“. Viele wollen das Gelernte nicht nur im Training vertiefen, sondern die Chance nutzen, in realen Einsätzen Erfahrungen zu sammeln und sich fachlich weiterzuentwickeln.

Auch im Waldbrandmodul stammen große Teile der Kräfte aus dem Ehrenamt. Frank Frenser beschreibt die Motivation so: „Von der Möglichkeit, sich persönlich weiterzubilden, über das Einbringen von persönlichem Fachwissen bis hin zur Möglichkeit, den europäischen Gedanken unmittelbar zu leben, ist alles dabei.“

Bei der Johanniter-Unfall-Hilfe ist das Ehrenamt ebenfalls tragend – und braucht viel Unterstützung im Hintergrund. Verena Dienst betont: „Wenn innerhalb weniger Tage oder sogar Stunden feststeht, dass ein zweiwöchiger Auslandseinsatz beginnt, muss Zuhause alles zuverlässig weiterlaufen.“ Ohne Familien, verständnisvolle Arbeitgeber und gute Vorbereitung wäre dieses Engagement nicht möglich.

Besprechung einer größeren Gruppe der Einsatzkräfte

Bereitstellungsraum der Einheiten. (Quelle: Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn)

Lernen, weiterentwickeln, gemeinsam stärken
Die Erfahrungen aus Spanien fließen bereits in neue Trainings, verbesserte Technik und intensivere europäische Austauschformate ein. Kai Lars Hildebrandt wünscht sich, „den internationalen Austausch“ weiter zu verstetigen und „gemeinsame Ausbildungsstandards“ auszubauen. Er verweist dabei auch auf bestehende EU-Angebote wie die EU Academy und das Programm „Exchange of Experts“, die aus seiner Sicht weiter ausgebaut werden sollten, um europäischen Wissenstransfer dauerhaft zu stärken.

Auch für das Waldbrandmodul steht Weiterentwicklung im Mittelpunkt. Frank Frenser betont, dass „vor allem bei der Fahrzeugtechnik“ Fortschritte erwartet werden und man „sehnlichst auf die Auslieferung von neuen Spezialfahrzeugen“ wartet, die die Arbeit im Gelände noch sicherer und effizienter machen sollen. Die Johanniter wiederum richten den Blick auf ihre internen Strukturen: Verena Dienst hebt hervor, wie wichtig „klare Kommunikationswege […] und strukturierte Material- und Vorratsplanung“ für zukünftige Einsätze sind.

Der Team Leader des Waldbrandmoduls steht vor einem Feuerwehrauto mit der Schrift: Katastrophenschutz Nordrhein-Westfalen

Weiterentwicklung in der Zukunft: Vor allem bei der Fahrzeugtechnik werden Fortschritte erwartet. (Quelle: Feuerwehr und Rettungsdienst Bonn)

Mit jedem Einsatz wächst so nicht nur das Wissen der einzelnen Organisationen, sondern auch das europäische Netzwerk, das im Ernstfall schnell und präzise helfen kann.

Der Einsatz in Spanien 2025 wurde zu einem eindrucksvollen Beispiel dafür, wie moderner Katastrophenschutz in Europa gelingt: als Zusammenspiel von Professionalität, Erfahrung und Menschlichkeit – und als Gemeinschaftswerk vieler Ehrenamtlicher, die bereit sind, Verantwortung über Grenzen hinweg zu übernehmen. Angesichts der wachsenden Herausforderungen durch klimabedingte Risiken ist dieses grenzüberschreitende Miteinander mehr als ein organisatorisches Konzept: Es ist Ausdruck eines europäischen Versprechens. Ein Versprechen, das trägt – weil Menschen es mit Leben füllen.