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  • | Bericht

    BBK-Fotowettbewerb: Die Sieger im Gespräch – Teil 1

    Ralf Kosse – THW Unter dem Motto „Dein Foto für uns alle“ veranstaltete das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) einen Fotowettbewerb. Jeder durfte ein Foto einreichen – unter der Bedingung, dass dieses einen Bezug zum Ehrenamt im Zivil- und Katastrophenschutz aufweist. Von 134 eingereichten Fotos stellten sich die 20 besten Bilder online einem Community-Voting. Einer der Fotografierenden, die sich mit ihren Bildern durchgesetzt haben, ist Ralf Kosse. Er ist ehrenamtlich beim THW engagiert, sein Bild konnte über 4.000 Stimmen auf sich vereinen. Wir haben Ralf Kosse zum Gespräch getroffen – um ihn zu seinem Erfolg zu beglückwünschen und ein paar Hintergrundinformationen aus erster Hand zu erhalten. Wir treffen Ralf online. Er befindet sich aktuell im Urlaub und empfängt uns aus seiner Ferienwohnung zum Gespräch. Den Urlaub kann er derzeit gut gebrauchen, denn in der Heimat steckt er mitten in den Renovierungsarbeiten seines Hauses. Auf den Fortschritt der Bauarbeiten angesprochen, antwortet er lachend: „Einer der Vorteile, THWler zu sein: Man lernt mit Bohrmaschine und Co. umzugehen. Wände aufstemmen, Estrich verlegen und einiges mehr werde ich wohl selber machen.“ Von Bergungsgerät bis Kamera Ralf ist seit vielen Jahren ehrenamtlich beim THW tätig. Mit 12 Jahren startete er im Jahr 1991 in der Jugendgruppe des THW Gronau. 1997 absolvierte er seine Grundausbildung, später wurde er Truppführer in der „Zweiten Bergungsgruppe“. Einige Jahre später war er Truppführer in der „Fachgruppe Elektroversorgung“, ein Jahr lang stellte er vertretungsweise auch deren Gruppenführer. Seit 2017 ist er Beauftragter für die Öffentlichkeitsarbeit des ungefähr 85 Personen starken Ortsverbands Gronau. Dafür begleitet er häufig Übungen und Einsätze „seines“ THW mit der Kamera. Im Umgang mit der Kamera ist er also geübt. Wie kam es zum Gewinnerfoto? „Ich hörte von dem BBK-Fotowettbewerb, als bei uns im Ortsverband die Pressemitteilung des BBK eingegangen ist.“ Ralf war sofort überzeugt davon, sein Glück zu versuchen. Eine Idee für die Einreichung war schnell gefunden: Das THW Gronau hatte vor einigen Monaten ein Shooting anlässlich des Muttertags veranstaltet. Damals sind ganz unterschiedliche Fotos für die Webseiten sowie die Facebookseite entstanden. Zwei Helferinnen, die bereits Mütter sind, wurden bei verschiedenen Szenarien fotografiert. Dabei ist auch das Gewinnerfoto entstanden, von dem Ralf sich ganz sicher war: „Das ist doch genau das Richtige für diesen Wettbewerb!“ Ein Ehrenamt für die ganze Familie Auf dem Foto zu sehen: THW-Mitglied Melissa mit ihrer kleinen Tochter Rieke, die ein THW-T-Shirt, Helm und Stiefel anprobiert – alles noch ein wenig überdimensioniert für das Kleinkind, umso niedlicher wirkt die Szene. Auch Melissas Ehemann Torsten ist beim THW aktiv. „Und bei Rieke ist es vermutlich auch nur eine Frage der Zeit“, so Ralf, „die drei sind das beste Beispiel für Familien beim THW. Das gibt es nicht nur bei uns, sondern in vielen Ortsverbänden.“ Auch in vielen anderen ehrenamtlich aufgebauten Organisationen seien Familien keine Seltenheit. Man verbringe dort viel Zeit und oft finde man auch neue Freunde. Für einige wird das Ehrenamt sogar zu einer zweiten Heimat. Kein Männerverein mit schwerem Gerät Ralf berichtet, dass der Ortsverband in Gronau mit zwanzig Prozent Frauen eine überdurchschnittliche Frauenquote hat. Das spiegelt zwar das Verhältnis im Rest der Bevölkerung noch nicht wider, aber Ralf ist sich sicher, dass das THW die besten Voraussetzungen mitbringt, die Zahlen weiter zu erhöhen: „Da ist noch was zu holen! Das THW ist kein reiner Männerverein mit schwerem Gerät. Bei uns ist Frausein überhaupt kein Thema, die 50er Jahre sind längst vorbei. Bei uns fahren selbstverständlich auch die Helferinnen die richtig großen Lkw und stehen an der Seilwinde.“ Ralf ist überzeugt, dass die Gesellschaft in puncto Geschlechterparität noch Arbeit vor sich hat. Mit dem Einreichen des Fotos wollte er gewissermaßen mit gutem Beispiel vorangehen. „Und ich dachte: Fotos mit Kindern sind doch immer gut“, ergänzt er grinsend. Ein knappes Rennen Die Jury hat sich mit der Bewertung der Bilder wahrlich nicht leichtgetan. Insbesondere bei den oberen Plätzen waren die Punktabstände äußert knapp. Umso stolzer kann Ralf über den Erfolg seines Fotos sein – wobei es nach der Vorauswahl durch die Jury auch im Community-Voting überzeugen musste. Wie hat Ralf es geschafft, möglichst viele Menschen zur Abstimmung zu motivieren? „Ich habe erstmal Familie und Kollegen abgegrast und in alle WhatsApp-Gruppen geschrieben.“ Den Internetauftritt seines THW-Ortsverbandes Gronau habe er bewusst nicht als Werbeplattform verwendet: „Das fand ich unfair. Es ging ja schließlich um mich als Fotograf und nicht um mich als THWler.“ Gronau geht viral Aber es gebe zwei Facebook-Gruppen für die Stadt Gronau. Dort habe er das Foto gepostet. Vor dem Post waren es zwei- bis dreihundert Stimmen – nicht mal eine Stunde nach dem Post waren es 1.200. Ralf freut sich noch heute über diesen Erfolg: „Es wurde gevotet, was das Zeug hält. Hier haben alle Gronauer zusammengehalten und sich gegenseitig angestachelt, noch mehr Stimmen zu bekommen.“ Hat sich der Erfolg im Internet auch schon in der analogen Welt bemerkbar gemacht? „Torsten, Melissas Mann, hat mir neulich erzählt, er wurde bei der Arbeit schon darauf angesprochen. Mensch, auf dem Foto, das ist doch deine Frau, oder?“ Alle können helfen Zum Ende des Gesprächs fragen wir Ralf, ob er noch eine Botschaft für die Leserinnen und Leser habe. Seine prompte Antwort: „Ich habe es immer als sehr hilfreich empfunden, Menschen mit verschiedenen Denkweisen und Hintergründen im Team zu haben. Es gibt im THW viel mehr Aufgaben, als nur schwere Maschinen und Trennschleifer zu bedienen. Das Ehrenamt kann eine Heimat für einfach jeden sein. Und jeder kann helfen.“
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  • | Interviews

    Im Interview mit Luna Kratzsch

    Heute sprechen wir mit Luna Kratzsch – und das bereits zum zweiten Mal! 2021 haben wir Luna für unseren Videopodcast „Freiwillig busy“ getroffen. Damals hat sie uns – gemeinsam mit Stella vom Deutschen Roten Kreuz – von ihrem ehrenamtlichen Engagement im Bereich Sanität bei der Johanniter-Unfall-Hilfe erzählt. Bereits kurz nach dem Podcast war klar: Wir müssen uns wiedersehen! Jetzt hat es geklappt und wir konnten viele hochspannende Themen vertiefen – angefangen bei Diversität im Ehrenamt über den Umgang mit psychischen Erkrankungen bis hin zur Persönlichkeitsentwicklung. Luna ist selbst von einer Depression und einer Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen. Im Interview verrät sie, wie ihre Erfahrungen im Umgang mit psychischen Erkrankungen im Ehrenamt von Nutzen sein können. Hallo Luna, erneut ein herzliches Willkommen! 2021 haben wir uns mit Stella und dir zur Podcast-Aufnahme getroffen. Wie ist es dir seitdem bei den Johannitern ergangen? Sehr gut! Durch den Podcast hat sich tatsächlich noch einiges ergeben. Zum Beispiel habe ich mehrmals als Dozentin mein Wissen über psychische Erkrankungen, und wie wir als Helfende damit umgehen können, weitergegeben – auf Dienstabenden der Johanniter in Oldenburg, aber auch bei anderen Organisationen, zum Beispiel beim DRK in Stade. An meiner Tätigkeit selbst hat sich nicht so viel verändert. Aber ich habe zuletzt in der Planungsgruppe für größere Sanitätsdienste ein bisschen mehr Verantwortung übernommen. Hast du denn allgemein das Gefühl, das Thema psychische Erkrankungen findet in der Ausbildung im Ehrenamt im Bereich Sanität genug Berücksichtigung? Ich erlebe schon, dass es einen Wandel gibt, hin zu einem größeren Bewusstsein für das Thema. Auch den Ausbilderinnen und Ausbildern wird zunehmend bewusst, dass die Behandlung des Themas derzeit nicht ausreichend ist. Ein großes Problem ist oft auch der Themenschwerpunkt. Es geht in den Ausbildungen meistens zu einem überwiegenden Teil um das Thema Depression und Suizidalität – aber die Bandbreite an psychischen Erkrankungen ist viel größer. Zudem ist es sehr selten, dass wir in der Ausbildung Menschen haben, die professionelle Expertise aus dem Bereich Psychiatrie besitzen. Und noch viel seltener ist es, dass die Seite der Betroffenen zu Wort kommt. Umso wichtiger, dass du als Betroffene für Öffentlichkeit sorgst – und mit dem Thema psychische Erkrankungen einen wichtigen Aspekt von Diversität im Ehrenamt einbringst. Wie wird denn dieser breite Begriff ,Diversität‘ deiner Erfahrung nach sonst mit Leben gefüllt? Das ist zum einen etwas, das bei uns quasi nebenbei passiert – sozusagen durch unseren humanitären Ansatz. Zum anderen habe ich das Gefühl, dass es immer mehr Bestrebungen gibt, das Thema Diversität im Ehrenamt bewusster zu thematisieren. Was wohl damit zusammenhängt, dass die großen Hilfsorganisationen sich dieses Thema immer mehr auf die Fahne schreiben, auch in ihrer Rolle als hauptamtliche Arbeitgeber. Und es gibt viele Initiativen der Organisationen, die darauf abzielen, Diversität im Ehrenamt sichtbarer zu machen, auch zum Zwecke der Mitgliedergewinnung. Auf der anderen Seite spielt das Thema durch den Zustrom von jungen Menschen eine größere Rolle. Diversität wird damit sowohl von oben als auch von unten immer mehr thematisiert. Du hast im Podcast auch erzählt, dass du persönlich das Gefühl hast, im Ehrenamt auf weniger Barrieren zu stoßen als im Rest der Gesellschaft. Wie erklärst du dir das? Ich glaube, da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen der eben erwähnte humanitäre Ansatz. Das Ehrenamt zeichnet sich ja dadurch aus, dass wir kein Geld dafür bekommen. Wir machen das, weil wir Lust darauf haben – und die Leute, die da sind, haben Spaß an der Sache. Das ist eine ganz andere Motivation, als wenn ich zur Arbeit gehe und dafür Geld bekomme. Somit habe ich aber auch einen höheren Anspruch: Ich will hier genau so sein können, wie ich bin, ich will mich wohlfühlen. Ich glaube, dass es sich dadurch bereits ergibt, dass man ein bisschen offener ist. Und auf der anderen Seite glaube ich, dass das Ehrenamt viele Menschen anzieht, die keinem starren Denken verhaftet sind. Man hat hier keinen elitären Anspruch. Wir sind einfach da, um zu helfen – und nicht, um irgendeine Heldenrolle einzunehmen. Das bedeutet, im Ehrenamt muss sich niemand als etwas ausgeben, das sie oder er nicht ist. Wenn man im Ehrenamt ganz authentisch man selbst sein kann: Lernt man sich dann auch besser untereinander kennen – insbesondere im Bereich Katastrophenschutz, wo man auch mal in Extremsituationen geraten kann? Ich glaube, da muss man unterscheiden zwischen dem Einsatz und der Vorbereitung, die ja die meiste Zeit in Anspruch nimmt. Aber natürlich ist man in Einsätzen potenziell extremeren Bedingungen ausgesetzt. Deshalb lernt man sich in Bezug auf den Charakter definitiv ehrlicher kennen, weil natürlich starke Belastungen und extremere Umgebungsbedingungen dazu führen, dass man ein bisschen mehr darauf reduziert ist, wer man eigentlich ist. Diese Authentizität ist aber auch einfach notwendig, um am Ende mit der Belastung umzugehen. Wenn ich mich komplett verstelle, ist es zum Beispiel auch schwierig, darüber zu reden, was mich jetzt vielleicht belastet.   Stichwort Umgang mit der eigenen Psyche: Du hattest im Podcast auch erwähnt, dass Menschen, die den Umgang mit einer psychischen Erkrankung gelernt haben, in manchen Situationen sogar einen Vorteil gegenüber denjenigen haben, die das nie gelernt haben. Welche Vorteile siehst du da zum Beispiel bei dir? Zum einen habe ich eine andere emotionale Sensibilität. Also eine höhere Sensibilität dafür, wie es meinem Gegenüber eigentlich geht. Das kann sowohl im Umgang mit Patienten als auch auch im Umgang mit Kolleginnen und Kollegen sehr hilfreich sein. Zum anderen fällt mir der Umgang mit Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen leichter, weil ich deren Lebensrealität besser nachvollziehen kann – selbst wenn das ganz andere Erkrankungen sind. In diesen Situationen fällt es mir leichter, Kontakt aufzubauen und vielleicht auch ein bisschen zu vermitteln, auch hier bei uns im Ehrenamt-Team. Inwieweit kann das Ehrenamt deiner Meinung nach zur persönlichen Entwicklung beitragen? Man merkt den Menschen im Ehrenamt wirklich eine Entwicklung an. Man lernt so viele Lebensrealitäten kennen. Ich glaube, das Ehrenamt ist eine der größten Austauschplattformen, die ich aktuell kenne – und die ist im Gegensatz zu den sozialen Medien frei von Algorithmen. Natürlich sind bestimmte Personengruppen überdurchschnittlich vertreten im Ehrenamt. Aber generell ist man mit so vielen unterschiedlichen Lebensrealitäten konfrontiert – und lernt so viel davon, sowohl in Bezug auf die Kolleginnen und Kollegen als auch mit Blick auf die Patienten. Wir sehen die Menschen ja auch in ihren Häusern und Wohnungen und gewinnen einen Einblick in ihr Leben. Wir lernen Menschen kennen, die potenziell alles verloren haben – oder solche, die vielleicht enttäuscht sind, weil ihr Ausflug ein bisschen anders verlaufen ist als gedacht. Das ist eine große Spannbreite an möglichen Situationen. Ja, und da wächst man charakterlich sehr dran. Zum einen, weil man diese ganzen Erfahrungen mitnimmt und zum anderen, weil man lernt, individuelle Lösungen zu finden für Probleme, für die man keine Standardlösung parat hat. Oftmals müssen wir überlegen: Wie kommen wir zurecht? Wie können wir die Situation bestmöglich lösen? Und das schafft natürlich ein deutlich größeres Selbstbewusstsein und einen größeren Selbstwert. Dann erlebt man bei eher schüchternen Menschen, dass sie nach einer Weile gar nicht mehr so schüchtern sind. Und umgekehrt lernen sehr selbstsichere Menschen auch, sich realistischer einzuschätzen. Das klingt sehr spannend. Gibt es im Abschluss noch etwas, das du den Leserinnen und Lesern mitgeben magst? Ich glaube, der Kern vom Ehrenamt ist, dass wirklich jeder im Ehrenamt sein kann – einfach ausprobieren und wenn es einem Spaß macht, dranbleiben. Wenn eine bestimmte Tätigkeit keinen Spaß mehr macht, kann man jederzeit etwas anderes ausprobieren. Und: Soziale Interaktion tut immer gut. Auch wenn man körperlich nicht mehr ganz so fit ist, kann man immer noch zuhören, reden oder Erfahrungen weitergeben. Das ist genau das, was das Ehrenamt so vielfältig macht: Man hat immer irgendeine Möglichkeit, sich zu beteiligen.
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  • | Reportage

    Vereint gegen die Katastrophe

    Spontanhilfe im Ahrtal Fabian Menzen ist einer von tausenden Spontanhelfenden, die im Sommer 2021 im Ahrtal vor Ort waren. Er packte mit an, als die Not nach der Flutkatastrophe am größten war. Heute berichtet er von seinen Erlebnissen als Spontanhelfer. Autos, die von Wassermassen weggetrieben werden, als handle es sich um Kinderspielzeug. Brückenpfeiler, die unter dem Druck des Treibgutes einknicken wie Streichhölzer. Ein Trümmerfeld, wo eben noch bezaubernde, intakte Häuser standen. Das Schlimmste aber: die verzweifelten Stimmen der Menschen, die in wenigen Stunden alles verloren haben. Die Bilder der Flutkatastrophe, die ab dem 14. Juli 2021 die Medien beherrschen, wirken surreal, apokalyptisch, unfassbar. Über 180 Menschen überlebten das Jahrhunderthochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen nicht. Die größte Katastrophe seit dem Zweiten Weltkrieg Was war der Auslöser der Katastrophe? Im Sommer 2021 tobten extreme Unwetter über Deutschland. Es kam zu massiven Überschwemmungen und Sturzfluten. Mit 135 Toten besonders schlimm betroffen: das Ahrtal. Eine Auswertung des Deutschen Wetterdienstes zeigt, dass allein am Mittwoch, den 14. Juli, mehr Regen gefallen ist als sonst im ganzen Monat. Das Wasser konnte in dem engen Ahrtal nirgends mehr hin. Es zerstörte die gesamte Infrastruktur der Region: die schlimmste Katastrophe seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die völlige Verwüstung des Ahrtals sorgte dafür, dass viele Menschen in Deutschland helfen wollten – sei es per Geld-, Sachspende oder persönlich vor Ort. Einer der vielen tausend Engagierten, die sich für die Spontanhilfe vor Ort entschieden, ist Fabian Menzen, 42 Jahre, Produkt-Manager aus Bonn. Untätig zugucken war keine Option Wie so viele andere saß er an diesem Juliabend vorm Fernseher und verfolgte entgeistert die Katastrophe, die sich keine 25 Kilometer von seinem Wohnort entfernt abspielte. Er war zutiefst bestürzt, seine Gedanken kreisten um die Opfer der Flut und deren Angehörige. Seine Sorgen hatten auch einen ganz persönlichen Hintergrund: Teile seines Bekanntenkreises leben im Flut-Gebiet, zunächst war es ungewiss, ob es ihnen gut geht. Doch trotz der Bilder, die uns damals auf allen Kanälen erreicht haben, sagt Fabian, eine Vorstellung, wie es wirklich vor Ort ist, habe er sich in dem Moment nicht machen können. Eines war ihm aber sofort klar: Er kann hier nicht untätig auf dem Sofa sitzen bleiben, er muss helfen. Und das war zunächst relativ einfach. Durch den direkten Kontakt mit den Menschen im Flut-Gebiet wussten er und zahlreiche Freunde sofort, wo sie mit anpacken können. „Wir wussten, wo wir hinmüssen, was es zu tun gibt und welches Material benötigt wird“, beschreibt Fabian seinen Einsatz in der ersten Zeit. Doch in den folgenden Tagen wurde es für ihn immer schwieriger, herauszufinden, wo seine Hilfe am ehesten benötigt wird. Ein weiteres Hindernis: In vielen Gebieten war der Zugang nur eingeschränkt möglich. Es wurde darum gebeten, nicht auf eigene Faust mit dem Auto in das Flutgebiet zu fahren, um die Zugangswege nicht zu verstopfen. Der „Helfer-Shuttle“: spontane Hilfe, spontan koordiniert Zu diesem Zeitpunkt wurde Fabian auf die Initiative „Helfer-Shuttle“ aufmerksam. Das Team um „Helfer-Shuttle“ wurde am 17. Juli von zwei Unternehmern aus dem Ahrtal gegründet. Marc Ulrich und Thomas Pütz hatten es sich zur Aufgabe gemacht, die Hilfsbedarfe auf der einen Seite und das Angebot der Freiwilligen auf der anderen Seite zusammenzubringen. Auch für die benötigte Infrastruktur und Logistik sorgte das Projekt, das öffentlichkeitswirksam über die sozialen Medien kommunizierte. „Das Team hat da in kürzester Zeit eine Mammut-Aufgabe bewältigt und koordiniert“, so Fabian. Auf diese Weise hatten die Freiwilligen den Kopf frei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: ihre Hilfe. Zudem konnten sie sicher sein, dass ihr Engagement auch genau dort ankommt, wo sie benötigt wird. Und so fand sich Fabian an einem Dienstag gegen 9 Uhr mit hunderten weiteren Freiwilligen in Grafschaft-Ringen am Treffpunkt im Gewerbegebiet ein. Von dort wurden täglich tausende Helfer gezielt an Einsatzorte ins Ahrtal gebracht. Im Einsatz gegen den Schlamm Die „Standard-Ausrüstung“ der Freiwilligen? Eimer, Besen, Schaufel, Handschuhe und Gummistiefel. Bei Letzteren stellte Fabian schnell fest: „Meine Gummistiefel sind eher fürs Segeln gedacht. Die kamen mit den Bedingungen schnell an ihre Grenzen.“ Doch zum Glück gab es auch zahlreiche Sachspenden: So bekam Fabian bereits früh robustere Gummistiefel mit einer Metall-Einlegesohle zur Verfügung gestellt – Schnitte und Stiche konnte er so besser abwenden. An insgesamt acht Tagen hat Fabian im Ahrtal mit angepackt: Die meiste Zeit hat er gegen den allgegenwärtigen Schlamm gekämpft. Manchmal hat er auch dabei geholfen, stark beschädigte Häuser zu entkernen beziehungsweise darauf vorzubereiten. „Einmal waren wir im Mündungsbereich der Ahr und haben gefühlt tausende Getränkekisten und -flaschen aus dem Uferbereich eingesammelt.“ Hilfe geht vor: Freistellung von der Arbeit möglich Meist war er am Wochenende im Ahrtal, um zu helfen. Hin und wieder hat er auf das Angebot seines Arbeitgebers zurückgegriffen und sich von der Arbeit freistellen lassen. Und Fabians Arbeitgeber war keine Ausnahme: In den ersten Tagen und Wochen nach der Katastrophe stellten viele lokale Privatunternehmen und Behörden ihre Angestellten für die spontane Hilfe in den Flutgebieten frei, beispielsweise über Sonderurlaub. Wer sich bei der Freiwilligen Feuerwehr oder beim THW engagiert, kann sich auf eine gesetzliche Regelung verlassen: So muss der Arbeitgeber die Ehrenamtlichen bei einer Alarmierung während der Arbeitszeit freistellen. Zudem ist festgelegt, dass in einem solchen Fall keine beruflichen Nachteile entstehen dürfen. Die Stunden müssen nicht nachgearbeitet werden, auch muss für den Einsatz kein Urlaub genommen werden. Beim THW regelt ein Bundesgesetz die Details, bei der Freiwilligen Feuerwehr gilt das jeweilige Landesgesetz über den Brandschutz. Helferinnen und Helfer der weißen Organisationen (der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft, des Deutschen Roten Kreuz, der Johanniter-Unfall-Hilfe, dem Arbeiter-Samariter-Bund Deutschland e.V., dem Malteser Hilfsdienst) werden bei Feststellung des Katastrophenfalls durch den Landkreis oder die kreisfreie Stadt ebenfalls freigestellt. Weitere Infos können im Magazin-Beitrag zur Helfendengleichstellung im Ehrenamt nachgelesen werden. „Eine beeindruckende Erfahrung“ Das Fazit seines Einsatzes? „Es hat gutgetan, aktiv zu werden und helfen zu können. Das hat mir ein wenig das Gefühl der Ohnmacht bei der Katastrophe genommen.“ Zudem habe Fabian gespürt, wie wichtig sein Engagement und das der anderen für die Betroffenen vor Ort war – als Signal, dass die Menschen nicht alleine sind mit der Katastrophe. So habe die Hilfe auch ein wenig Trost spenden können. Zudem sei ein großartiges Gemeinschaftsgefühl entstanden: „Der Zusammenhalt unter den Menschen zu dieser Zeit war unbeschreiblich. Da hat es nicht gezählt, wo jemand herkommt oder was er macht. Jeder hat getan, was er kann.“ Fabian ist sich heute sicher, dass er sich jederzeit wieder als spontaner Helfer engagieren würde. Gleichzeitig betont er, dass es wichtig sei, seine Stärken und Schwächen gut einzuschätzen. Schließlich wisse man häufig nicht, was genau einen vor Ort erwartet. Dabei haben Fabian sowohl das spontane Engagement des „Helfer-Shuttles“ als auch die professionelle Hilfe beeindruckt: „Der Einsatz von Polizei, Feuerwehr, Bundeswehr, THW, DRK und vielen anderen war mehr als beeindruckend.“ Doch am nachhaltigsten geprägt hat ihn die Reaktion der Menschen vor Ort: „Wie viele Betroffene trotz des Verlusts und der Verzweiflung gefasst und geordnet mit der Situation umgegangen sind – das war eine beeindruckende Erfahrung.“  
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  • | Porträt

    Vom Ehrenamt in den Beruf

    Sebastian Paroch erzählt uns seinen Weg Mit einem Brief der Bundeswehr im Jahr 2004 ging alles los: Inzwischen ist Sebastian Paroch ganze 18 Jahre im Ehrenamt. Nach langjährigem ehrenamtlichen Engagement arbeitet er seit zwei Jahren hauptamtlich in der Regionalstelle Berlin des THW. Doch wie ist es dazu gekommen? Welche Qualifikationen eignete er sich an, welche Erfahrungen machte er auf seinem „Ehrenamts-Weg“? Und was hat eigentlich die Bundeswehr mit der Sache zu tun? Wir haben mit Sebastian Paroch (38) über seine drei Leben und den Weg vom Ehren- ins Hauptamt gesprochen. Auf Umwegen zum Ehrenamt Bei Sebastian Paroch war es weder das familiäre Umfeld noch der Freundeskreis, der ihn zur Aufnahme seines Ehrenamts bewogen hat. Im Grunde war es eine pragmatische Entscheidung aus beruflichen Gründen: Sebastian arbeitete nach seiner Ausbildung als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung in einem kleinen Unternehmen. 2004 meldete sich die Bundeswehr bei ihm: Sebastian sollte zum Wehrdienst eingezogen werden. Die Wehrpflicht existierte damals noch und Sebastian hätte mit seinem Dienst bei der Bundeswehr seine Festanstellung in dem kleinen Unternehmen riskiert. Die Alternative nach ausgiebiger Internet-Recherche? Der „Ersatzdienst im Katastrophenschutz“. Er verpflichtete sich für sechs Jahre beim THW Ortsverband Berlin-Lichtenberg. Pro Jahr musste er 120 Stunden absolvieren – damit hatte er einen Weg gefunden, seiner regulären Arbeit weiter nachgehen zu können. Doch dass seine damalige Entscheidung sein (Berufs-)leben von Grund auf umkrempeln würde, damit hätte Sebastian nicht gerechnet. Die Entscheidung fürs THW „Ich fand den Umgang mit Technik sowie die ganzen Möglichkeiten recht spannend“, so Sebastian – und die Stimmung stimmte bereits im Vorabgespräch. Er fühlte sich von Anfang an wohl und startete seine Grundausbildung. Der Beginn einer erfolgreichen „Karriere im Ehrenamt“: Nach seiner eigenen Grundausbildung betreute er die neuen Grundauszubildenden, war Helfer in der Fachgruppe Beleuchtung sowie Helfer in einer Bergungsgruppe. In letzterer wurde er zum Truppführer berufen. Schließlich ging es für ihn als Helfer in den Zugtrupp eines Technischen Zuges. Hier wurde er zunächst Zugtruppführer sowie später Zugführer. Inzwischen bekleidet er diese Position seit annähernd zehn Jahren. Doch nicht nur im Ehrenamt startete Sebastian durch: Auch beruflich wagte er nach fünf Jahren im IT-Bereich einen Neuanfang.  „Ich sage immer: Ich habe drei Leben“ 2009 wechselte Sebastian zur Polizei Berlin. In diesem Beruf arbeitete er – inklusive Aufbaustudium für den gehobenen Dienst – zwölf Jahre lang. Zusätzlich zu seinem Ehrenamt im THW engagierte er sich in dieser Zeit in der Jungen Gruppe der Gewerkschaft der Polizei, später in verschiedenen Bezirksgruppen. 2021 hatte erneut der Zufall seine Hand im Spiel: Passend zum Ende des Studiums bei der Polizei war eine Stelle in der THW Regionalstelle Berlin vakant. Der damalige Regionalstellenleiter kam auf ihn zu und fragte, ob er sich nicht bewerben wolle. Die erste Reaktion? „Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nie mit dem Gedanken gespielt, hauptamtlich beim THW zu arbeiten, aber ich fand es eine spannende Herausforderung – zudem bin ich ein Freund davon, sich Sachen von allen Seiten anzusehen.“ Schließlich entschloss er sich dazu, es zu versuchen. Die Aufgaben im Hauptamt Sein neuer Jobtitel im Hauptamt: Sachbearbeiter Einsatz in der THW Regionalstelle Berlin. Seine Hauptaufgabe ist die Einsatzkoordination, sprich das Vorbereiten, Durchführen und Nachbereiten von Einsätzen im Regionalbereich Berlin. Seine Verantwortung erstreckt sich auf die Bereiche Einsatz, Ausstattung, Information und Telekommunikation sowie Prüfwesen. Sieben Mitarbeitende stehen ihm in seinem Sachgebiet zur Seite. Doch wer glaubt, Sebastian bliebe im Hauptamt keine Zeit mehr fürs Ehrenamt, der irrt: Sein Ehrenamt als Zugführer übt er weiterhin aus, seit 2021 ist er zusätzlich stellvertretender Landessprecher für Berlin sowie ab und an Gastdozent für verschiedene Lehrgänge an den THW-Ausbildungszentren. Was als pragmatische Lösung zugunsten des damaligen Berufes gestartet war, währt inzwischen 18 Jahre. Sebastians Fazit: „Bisher habe ich kein einziges Jahr bereut.“ „Ein Wechsel lohnt sich auf jeden Fall“ Doch wie leicht fiel ihm der Wechsel vom Ehren- ins Hauptamt? „Als ausgebildeter Zugführer fiel mir die Einarbeitung ins Hauptamt und in den Bereich Einsatz besonders leicht.“ Zudem kam ihm sein „erstes Leben“ als Fachinformatiker im Bereich Information und Telekommunikation zugute. Und über ein Jahrzehnt bei der Polizei bereiteten ihn darauf vor, „die Behörde THW zu verstehen“. Der größte Unterschied zur ehrenamtlichen Tätigkeit? Weniger operative Arbeit, mehr administrative. Da müsse man auch in Kauf nehmen, dass manche Prozesse viel Verwaltungsaufwand erfordern, um ans Ziel zu gelangen. Tipps für Wechselwillige Sebastians Tipp für alle, die ein Wechsel vom Ehrenamt in den Beruf reizt: „Versucht, die Sache ganzheitlich zu betrachten. Es ist ein Unterschied, ob ich meinem Hobby im Ehrenamt nachgehe oder meine Brötchen mit meiner hauptamtlichen Tätigkeit verdiene.“ Man solle sich mit dem Wechsel auf jeden Fall intensiv auseinandersetzen. Im Hauptamt unterliege man beispielsweise Vorgaben, die im Ehrenamt keine Rolle gespielt hätten. Andererseits bekomme man Einblicke, die man vorher nicht gehabt habe – und damit Verständnis für gewisse Prozesse. Ein weiterer Pluspunkt seines Wechsels: Die Akzeptanz und Unterstützung vonseiten der Ehrenamtlichen: „Schließlich ist man einer von ihnen und weiß in der Regel, wovon man spricht.“ Doch wie ist es bei diesem 100-prozentigen Einsatz fürs THW um die Work-Life-Balance bestellt? Zusätzlich zu seiner Vollzeitstelle engagiert sich Sebastian um die 350 Stunden im Jahr ehrenamtlich. Er sieht das Ganze pragmatisch: „Ein Ehrenamt nimmt immer so viel Raum im Leben ein, wie man bereit ist, zu geben.“ Er sagt von sich selbst, dass er „gelegentlich zu umtriebig“ sei – doch die Resonanz aus dem familiären Umfeld und dem Freundeskreis sei durchweg positiv. Alle hätten großen Respekt vor seinem Einsatz im Haupt- und Ehrenamt. Bei diesem großen Engagement ist es kaum verwunderlich, dass er sich auch noch berufsbegleitend weiterbildet: In diesem Jahr will er seinen Master of Arts Sicherheitsmanagement abschließen – vielleicht der Schritt in Leben Nummer vier!
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  • | Interviews

    Vier Fragen an Ralph Tiesler, Präsident des BBK

    Die Bevölkerung ist kein Statist – Ehrenamt bedeutet Mitmachen Millionen Menschen engagieren sich ehrenamtlich und helfen dabei, dass Vereine, Rettungsdienste, aber auch Organisationen wie die freiwillige Feuerwehr oder das THW funktionieren und erfolgreich arbeiten können. Doch es wäre wichtig, dass sich noch mehr Menschen in Deutschland im Ehrenamt engagieren und sich fragen: Was kann ich tun? Warum das Ehrenamt so eine bedeutende Rolle für eine starke und widerstandsfähige Gesellschaft spielt. Wir haben dem Präsidenten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Herrn Tiesler, vier Fragen zu dem Thema gestellt. Herr Tiesler, wie würde Deutschland ohne ehrenamtliche Helferinnen und Helfer dastehen? „Also, ich denke, ohne die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer würde unsere Gesellschaft viel weniger Zusammenhalt und Solidarität erfahren. Viele gemeinnützige Organisationen könnten nicht existieren und ich glaube, wichtige Aufgaben im sozialen Bereich, im Sport, in der Kultur oder auch im Umweltschutz könnten nicht bewältigt werden. Deshalb sollten wir uns immer bewusst sein, welche wertvolle Arbeit Ehrenamtliche leisten und ihnen unseren Dank und unsere Anerkennung aussprechen.“ Wie wollen Sie mehr Menschen für eine ehrenamtliche Tätigkeit begeistern? „Wir müssen mehr Aufmerksamkeit auf das Thema lenken und vor allem hervorheben, dass der Zivil- und Katastrophenschutz maßgeblich durch freiwilliges Engagement getragen wird. Unser Slogan der BBK-Kampagne ‚Egal was Du kannst, Du kannst helfen‘ fasst es perfekt zusammen: Es geht nicht darum, Profis und Spezialisten für besondere Einsätze zu finden, sondern jeder hat Fähigkeiten, die gebraucht werden und die er für das Wohl anderer einsetzen kann.“ Wenn wir über Zivil- und Katastrophenschutz sprechen: Wie kann man das Ehrenamt stärken? „Das Ehrenamt muss anerkannt und wertgeschätzt werden. Und unter anderem geschieht dies über den Förderpreis ‚Helfende Hand‘, der jährlich herausragende Projekte ehrt und mit einem Preisgeld auszeichnet. Zugleich braucht es aber auch eine Sensibilisierung und Aufklärung der Bevölkerung, dass die staatliche Hilfe ehrenamtlich und eben nicht hauptamtlich organisiert ist.“ Viele Ehrenamtler engagieren sich für den Schutz der Bevölkerung. Wie lässt sich dieser Schutz allgemein noch verbessern? „Wir wollen Bürgerinnen und Bürger ermutigen, sich selbst zu schützen und in Notlagen fähig zu sein sich selbst zu helfen, bis professionelle Hilfe eintrifft. Seit diesem Jahr wollen wir einen bundesweiten ‚Tag des Bevölkerungsschutzes‘ ausrichten. Dabei sollen sich Hilfskräfte und Bevölkerung begegnen und Bürgerinnen und Bürger ganz praktisch und zum Anfassen wichtige Kenntnisse für Notfälle, Planung der persönlichen Notfallvorsorge, erlernen. Gleichzeitig können dadurch die ehrenamtlichen Organisationen auch um mehr Nachwuchs werben.“ Der diesjährige „Tag des Bevölkerungsschutzes“ findet übrigens am 24. Juni statt. Weitere Infos sind hier zu finden: Tag des Bevölkerungsschutzes.
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  • | Gastbeiträge, Interviews

    Im Interview mit Alan

    Heute sprechen wir mit Alan Wali über sein ehrenamtliches Engagement. Er ist 29 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Kobanê in Syrien. 2015 – mit 21 Jahren – ist er aufgrund des Krieges in Syrien nach Deutschland geflohen und lebt seitdem in Kitzingen in Bayern. Im Interview sprechen wir mit ihm über seine Motivation sich neben seinem Job ehrenamtlich zu engagieren. Alan, seit wann bist du ehrenamtlich engagiert? Als ich in der vierten Klasse war, begann ich mich ehrenamtlich zu engagieren. Ich komme ursprünglich aus Kurdistan/Syrien und wurde in Kobanê geboren. Während des Krieges habe ich Essen und Kleider an Menschen in Not verteilt, da war ich 17 Jahre alt. Als wir aufgrund der zunehmenden Gewalt 2013 weiter nach Damaskus fliehen mussten, habe ich viel vom Hab und Gut meiner Familie verschenkt. Darauf bin ich sehr stolz. In meiner Heimat gibt es nicht viele Organisationen im Zivil- und Katastrophenschutz, daher habe ich mich häufig privat eingebracht. Seit 2015 lebe ich in Deutschland und habe mich auch hier von Anfang an ehrenamtlich engagiert. Wie kam es zu diesem Engagement? Ich bin unglaublich dankbar dafür, dass ich die Chance hatte, nach Deutschland zu kommen. Dafür wollte ich etwas zurückgeben und begann bereits kurz nach meiner Ankunft andere Menschen zu unterstützen. Das war das Mindeste, das ich tun konnte, denn viel mehr als mein Engagement hatte ich nicht zu geben. Auch konnte ich noch kein Deutsch sprechen. In den ersten beiden Jahren nach unserer Flucht war ich bei der Bahnhofsmission in Würzburg, die ich während meiner Zeit in Kitzingen kennengelernt hatte. Hier habe ich u.a. Essen und Getränke ausgegeben, Kleidung gesichtet und verteilt, oder die Unterkunft für Obdachlose für die Nacht hergerichtet. Was hat dir das Ehrenamt in dieser Zeit bedeutet? Das Ehrenamt hat mir von Anfang an extrem viel gegeben! Dadurch habe ich sehr schnell Deutsch gelernt und mein Sprachzertifikat B1 erlangt. Ich wollte mich so schnell wie möglich in die deutsche Gesellschaft einleben. Ein Job schien mir dafür am geeignetsten, weshalb ich viele Bewerbungen für verschiedene Jobs geschrieben und abgeschickt habe. Eines Tages kam eine Freundin aus der Bahnhofsmission zu mir und sagte, dass das örtliche Schwimmbad in Kitzingen einen Rettungsschwimmer suche. Noch am selben Tag habe ich mich beworben und wurde direkt einen Tag später zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Also bist du über dein Ehrenamt zu einem Job gekommen? Ja, allerdings über Umwege (lacht). Als ich im Schwimmbad für das Vorstellungsgespräch war, fragten sie mich, ob ich schwimmen könnte – was nicht der Fall war. Ich wollte aber unbedingt einen Job, also sagte ich: Ja. Ich wusste ursprünglich gar nicht, was ein Rettungsschwimmer ist und dachte, es wäre eine Arbeit außerhalb des Wassers. Um den Job zu ergattern musste ich allerdings vorschwimmen und nach fünf Metern – die ich wie ein Hund zurücklegte – musste ich die „Vorführung“ abbrechen. Nachdem ich ihnen meine Motivation erklärt hatte, sagten sie mir, dass sie mir das Schwimmen beibringen würden. Und tatsächlich lernte ich innerhalb von zwei Wochen Schwimmen und machte direkt das silberne Schwimmabzeichen für Rettungsschwimmer. Wow, Gratulation! Wie ging es danach weiter? Neben meiner Anstellung als Rettungsschwimmer in Kitzingen machte ich eine Ausbildung beim Deutschen Roten Kreuz als Fachsanitäter. Seit 2017 unterstütze ich das DRK in dieser Funktion ehrenamtlich bei Einsätzen sowie bei Bedarf auch in deren Wasserwacht in Kitzingen. Im Rahmen dieser Tätigkeit bilde ich mich natürlich auch kontinuierlich weiter. Das klingt nach viel Einsatz, den du für dein Ehrenamt erbringst – hast du daneben auch noch Zeit für Freizeitaktivitäten? Natürlich! Mittlerweile bin ich hauptberuflich zu 100% bei einem Schwimmbad in Würzburg angestellt und gebe dort Schwimmkurse, frische die Becken auf und bereite die Sauna vor –Miete und Rechnungen bezahlen sich immerhin nicht von alleine. Meine Freizeit verbringe ich allerdings fast ausschließlich mit meiner ehrenamtlichen Arbeit. Meine Freunde sagen mir immer wieder, dass ich doch verrückt sei, neben meinem Vollzeitjob so viel Zeit für mein Ehrenamt aufzubringen. Für mich ist das Ehrenamt allerdings mehr als bloß ein Hobby – für mich ist es die beste Möglichkeit, den Menschen in Deutschland etwas zurückzugeben. 2022 auf Rügen Und heute bist du auch bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft aktiv – wie bist du zur DLRG e.V. gekommen? Eines Tages kam ein DLRG-Mitglied zu uns ins Schwimmbad und meinte, dass das Verhältnis bei ihnen sehr familiär sei und die Tätigkeit viel Spaß mache. Da ich noch mehr helfen und mich einbringen wollte, habe ich entschieden, mich anzumelden. So ist nun auch die DLRG seit 2018 wie eine zweite Familie für mich. Hier unterstützt man sich gegenseitig, hat viel Spaß und kann Gutes tun. Mein persönliches Highlight ist es, dass ich jeden Sommer für zwei bis vier Wochen an der Ostsee im zentralen Wasserrettungsdienst ehrenamtlich aktiv bin. Hier bin ich Mitglied der DLRG in Mönchgut. Leider kann ich nicht länger bleiben, weil ich dann wieder Geld verdienen muss (lacht). Gibt es einen besonderen Moment in deinem Ehrenamt, der dir für immer in Erinnerung bleiben wird? Vor etwa drei Jahren habe ich im Schwimmbad ein Mädchen gesehen, das mit ihrer Mama Ball gespielt hat. Das Kind war taub und blind – und konnte nicht schwimmen. Also bin ich zu ihrer Mama gegangen und sagte ihr, dass ich ihrer Tochter gerne kostenlos beibringen würde wie man schwimmt. Sie hat zugestimmt und nach drei Monaten konnte das Mädchen schwimmen! Die überglücklichen Gesichter der Mutter und ihrer Tochter werde ich niemals vergessen, das war einfach wundervoll! Noch heute    habe ich Kontakt mit den beiden. Es war nicht einfach dem Kind beizubringen wie man schwimmt – speziell bei Menschen mit Behinderung braucht man sehr viel Geduld und Verständnis. Der Aufwand lohnt sich aber sehr! Gibt es weitere besondere Momente, die du erlebt hast? Wenn man ehrenamtlich im Zivil- und Katastrophenschutz engagiert ist, erlebt man viele schöne, aber natürlich auch weniger schöne Momente. In meiner Heimat habe ich viel Leid und Tod gesehen – das sind Bilder, die mir nie wieder aus dem Kopf gehen werden. Letztes Jahr konnte ich aber auch eine Frau an der Ostsee wiederbeleben. Wenn ich im Einsatz bin, lautet meine oberste Priorität, anderen zu helfen. Und wenn das funktioniert, ist das natürlich ein sehr erfüllender Moment. Diese Arbeit in Kombination mit der Gemeinschaft bei den Organisationen macht für mich das Ehrenamt so richtig aus. Du fährst im Juni in deine alte Heimat: Wie kam es dazu und was genau wirst du dort machen? Dieses Jahr habe ich die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten. So stolz und glücklich ich auch darüber bin, man vergisst nie seine Herkunft. Jede Woche sterben Menschen in Syrien, weil sie nicht schwimmen können. Deshalb fliege ich diesen Sommer für einen Monat zurück, um den Menschen kostenlos das Schwimmen beizubringen. Außerdem möchte ich die Zusammenarbeit zwischen der DLRG und den Wasserorganisationen vor Ort stärken, damit alle voneinander profitieren können. Zudem plane ich eine Maschine zu entwickeln, die Menschen dort beim Schwimmenlernen unterstützt. Um mir diese ehrenamtliche Reise zu finanzieren habe ich mein Auto Anfang des Jahres verkauft. Das macht mich finanziell unabhängig. Wirst du dein Leben lang ehrenamtlich engagiert bleiben? Solange ich die Kraft habe, anderen Menschen zu helfen, werde ich mich ehrenamtlich engagieren! Hast du einen Traum, den du dir noch über das Ehrenamt erfüllen möchtest? Mein größter Traum ist es, den Bundespräsidenten, Frank-Walter Steinmeier, zu treffen, ihm die Hand zu schütteln und mich bei ihm dafür zu bedanken, dass ich hier in Deutschland leben darf. Weitere Medien über Alan: DLRG | Mein Weg zum Wasserretter
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